Ich habe mir gestern (Sonntag) vorgenommen mal etwas für mich zu tun und das bei vollen Bewusstsein und in voller Dankbarkeit mir selbst gegenüber. Ich wollte einen achtsamen Spaziergang unternehmen. Und das habe ich dann auch getan.
Ich finde, dass ich in der Vergangenheit selten dazu kam, mir wirklich etwas Gutes zu tun. Seitdem ich das Achtsamkeitsprogramm nach Jon Kabat- Zinn für mich selbst praktiziere, mache ich erstaunlich (und auch erfreulicherweise) viele wundersame Erfahrungen mit mir selbst. Ich fragte mich aber gleichzeitig, warum mir das vorher nicht so recht gelingen wollte? War ich nur mit halben Herzen bei der Sache? Habe ich mich nicht genügend angestrengt? Warum muss man sich eigentlich so anstrengen um achtsam zu sein oder sich selbst was Gutes zu tun?
Nun die Antwort ist naheliegend. Mir war mein Unbewusstsein lange Zeit nicht bewusst. Und ich gehe davon aus, so geht es auch vielen von Ihnen. Ich kann sie also beruhigen.
Wenn wir gestresst sind, fällt es uns schwer auch noch daran zu denken, eine Achtsamkeitsübung zu machen. Diese kostet nämlich Zeit und wenn wir im Stress sind, haben wir diese Zeit oft nicht. Also sollten wir bestenfalls Achtsamkeit vorher üben, währenddessen praktizieren und im Nachhinein umso bewusster entspannen. Das klingt logisch oder? Dafür ist der Feierabend eigentlich auch gedacht.
Das klingt einfach, ist es aber nicht.
Manche Menschen sind gestresst, wenn sie ans Nichts- Tun denken. Auch fühlen sich diese Menschen dann oft wertlos. Für diesen Schlag Mensch ist Entspannung verbunden mit Anspannung, also zusätzlichem Stress und Angst und noch mehr Stress. Sie können diese Leere nicht füllen. Diese Menschen brauchen permanente Abwechselung um sich zu spüren. (Oder auch Ablenkung um sich eben nicht zu spüren). Der Ruhemodus ist für sie verglichen mit (Herz)Stillstand. Sollten sie dazu gehören, möchte ich sie erst recht dazu einladen sich in Achtsamkeit zu üben. Sie müssen dies aber nicht tun, wenn ihnen nicht danach ist. Sie entscheiden ob sie sich darauf einlassen.
Achtsamkeit steht für das Wunder namens Leben und wir alle sind zum ersten Mal auf dieser Welt. Also kann keiner von sich oder anderen erwarten, alles von Anfang an zu können. Es erfordert viel Übung. Wenn etwas nicht sofort gelingt, neigen manche von uns schnell aufzugeben und sich als Versager abzustempeln. Aber wir können gar nicht versagen. Für wen leben wir denn?
Für uns.
Na sehen sie- so achtsam sind sie immerhin schon.
Wir leben nicht um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Auch leben wir nicht um uns vor unseren Befürchtungen zu verstecken. Und noch weniger leben wir um in einer Welt des reinen Wunschdenkens zu verweilen. Wir leben Heute. Wir leben im Hier und Jetzt. Wir leben in diesem Moment. Gestern lebten wir, Morgen werden wir (vielleicht) leben, aber Heute leben wir. Jetzt treffen wir eine Entscheidung. Gestern hätten wir uns vielleicht anders entschieden. Und wie wir uns Morgen entscheiden, entscheiden wir Morgen. Im Grunde ist Achtsamkeit relativ einfach zu erklären. Trotzdem tun sich viele von uns schwer damit, es im Hier und Jetzt auszuüben.
Um es Ihnen leichter zu machen und gleichzeitig dazu zu animieren, sich selbst, bewusst etwas Gutes tun, möchte ich sie vorab noch über zwei Notwendige Informationen aufklären.
Zum einen ist noch kein (Übungs)weltmeister vom Himmel gefallen, das heißt sie machen die folgenden Achtsamkeits- und Meditationsübungen so gut, wie sie können (es gibt dabei kein richtig oder falsch) und zum Zweiten, dürfen sie sich Zeit dafür nehmen und auch lassen. Wenn sie gerade keine Zeit haben, dann machen sie diese Übungen später. Sie entscheiden wann der Zeitpunkt dafür ist. Und sie machen diese Übungen für sich, das heißt niemand steht mit einer Stoppuhr neben Ihnen um sie zu kontrollieren. Sie dürfen sich dafür soviel Zeit nehmen, wie sie brauchen/ benötigen.
Wenn sie bei den Übungen einschlafen, wünsche ich ihnen einen angenehmen Schlaf. Wenn sie mit ihren Gedanken abdriften, ist das auch keine Schande. Sie können jederzeit und wenn ihnen danach ist in die Übung wieder einsteigen, gerne auch an der Stelle, wo sie ausgestiegen sind, wenn sie sich noch daran erinnern können (Wenn nicht, dann eben dort wo sie sich gerade befinden).
Nachdem ich überall das Licht ausgeknipst habe, bin ich die 59 Treppenstufen von meiner Wohnung bis zur Straße runter gegangen. Ich habe versucht bewusst jede Treppenstufe einzeln zu nehmen und dabei auf das Gefühl an meinen Füßen zu achten. Wie fühlt sich der Schritt an? Muss ich langsamer gehen? Wie muss ich mit dem Fuß auftreten um mich sicher zu fühlen? Ich bin also weder gelaufen, noch gesprungen. Dabei atmete ich ruhig und entspannt. (Dass es 59 Treppenstufen sind, weiß ich, weil ich diese mehrfach abgezählt habe).
Ich betrat die Straße, während die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Ich schaute mich achtsam um, auch um meine Augen an das Tageslicht zu gewöhnen. Dabei atmete ich weiterhin entspannt.
Meinen Weg für den Spaziergang hatte ich mir vorher schon überlegt. Ich wohne in der Lübecker Altstadt in einer Einbahnstraße mit vielen alten Häusern mit schmucken Dächern und Türen sowie engen Gängen, die zu weiteren Häusern führten, die von der Straße nicht zu erkennen waren. (Früher waren die Menschen maximal 1,80m groß- so wurde mir einst berichtet). Heutzutage werden Hofeinfahrten gebaut. Früher (also im vorherigen Jahrhundert) bestand diese Notwendigkeit noch nicht. Ich achtete auf meinem Weg zum Wasser (durch Lübeck fließt die Trave, die Wakenitz und der Elbe-Lübeck Kanal an dem meine Wegstrecke langführte) also auf die Gänge. Ich zählte diese. Ich kam auf 5 Stück. 2 Gänge lagen auf der rechten Seite von mir aus gesehen und 3 auf der linken. (Sie dürfen gerne auch Autos zählen, Menschen die ihnen begegnen, gerade oder ungerade Hausnummern- ihrer Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt)
Kurz bevor ich den Wanderweg erreichte, der am Kanal lang führt, machte ich für eine erste bewusste Achtsamkeitsübung Halt an einem Baum. Ich stellte mich neben den Baum. Ich stütze mich mit der linken Hand am Baum ab. Dann schloss ich meine Augen und versuchte mich ganz auf meinen Atem zu konzentrieren. Dies gelang mir recht gut. Ich war in Gedanken ganz bei mir. Als ich nach einiger Zeit merkte, dass ich abdriftete, öffnete ich meine Augen. Ich guckte mir den Baum an. Ich berührte ihn mit beiden Händen und versuchte zu erfühlen,wie der Baum sich anfühlt. Ich schloss dabei die Augen um mich ganz auf die Beschaffenheit der Rinde zu konzentrieren. Anschließend schnupperte ich am Baum. Und dann umarmte ich den Baum. Ich umarmte ihn fest. Ich umschlang ihn mit beiden Armen.Ich fühlte mich in diesen Moment unheimlich sicher und geborgen. Mich durchströmte ein wohliges Gefühl. Umarmungen sind etwa so Wundervolles. Sie können Trost spenden. Umarmungen können aber auch einfach nur ein Wohliges Gefühl bereiten, ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Wenn SIE dabei etwas anderes fühlen, ist das vollkommen in Ordnung. Sie fühlen, was sie fühlen, was also gerade in ihnen ist.
Wenn sie sich nicht wohl fühlen, dürfen sie die Umarmung auch ablehnen oder sich daraus lösen. Wichtig ist nur, dass sie dieses Gefühl bewusst wahrnehmen und wenn es möglich ist, sogar benennen können. Sollten sie sich nicht dazu in der Lage fühlen, haben sie die Möglichkeit mittels bewusster Atemmeditation ins Hier und Jetzt zurück zu kehren.
Auf meinem Weg, zählte ich 6 einzelne Sitzbänke, 3 männliche Jogger und eine weibliche Joggerin, 7 Paare die Hand in Hand gingen. Ich atmete die klare Luft bewusst ein und aus. Ich nahm mir sogar Zeit dafür eine Möwe genauer zu betrachten. Als ich mich der Möwe, die auf einem Geländer stand, näherte, flog diese auf die andere Uferseite um sich dort ebenfalls auf einem Geländer nieder zu lassen. Ich zählte 23 Flügelschläge um diesen Weg zu fliegen. Wie ich bereits schrieb, haben sie die Möglichkeit viele verschiedene Dinge zu zählen.
Was sie auch machen können zum Beispiel ist, wenn sie in Gesellschaft sind, das Spiel zu spielen „Ich sehe was, was du nicht siehst“ um ihren Blick bewusst auf bestimmte Gegenstände zu richten. Ebenfalls können sie „ich packe meinen Koffer“ spielen um sich gar alle Gegenstände zu merken, die sie unterwegs gesehen haben. Diese Spiele kann man gut mit Kindern spielen um diese ebenso in Achtsamkeit zu schulen oder dazu animieren, sich achtsamer bzw. aufmerksamer mit ihrer Umgebung auseinander zu setzen.
Es gibt ein Spiel, welches sich Bilderraten bzw. Fehlersuche nennt. Oft werden dafür zwei Bilder nebeneinander gelegt, die auf dem ersten Blick identisch scheinen. Bei genauerem Hinschauen erkennen sie einige Unterschiede. Oft ist sogar angegeben wie viele Fehler eingebaut sind oder wie viele Unterschiede es gibt. Diese Übung schult die Merkfähigkeit zum einen, zum anderen aber auch die Achtsamkeit für Details. Sie können diese Übungen auch draußen praktizieren, indem sie sich zum Beispiel den Inhalt von Mülleimern anschauen um dann mit geschlossenen Augen einige Inhalte wieder zu geben. Auch können sie die optische Beschaffenheit von Baumstämmen beschreiben. Oder sie schauen auf den Wanderwegboden und schauen sich an, wie dieser beschaffen ist.Liegen Äste auf dem Weg oder Steine. Welche Farbe hat er? Ist er trocken oder feucht, warm oder kalt? Sie haben die Möglichkeit ihre Schuhe auszuziehen um mit ihren Füßen zu spüren, wie sich der Weg auf dem sie gehen anfühlt. Sie werden viele Eindrücke gewinnen, die ihnen im Alltag das ein oder andere mal helfen können, gelassener mit der Situation umzugehen. Möglicherweise führen sie sogar einige Rituale ein, die es ihnen möglich machen, bewusster und damit stressfreier durch den Tag zu kommen.
Auf dem Rückweg beschloss ich einen anderen Weg zu gehen um achtsam meine Stadt zu erkunden.
Ich habe vor einiger Zeit Urlaub in einer anderen Hansestadt gemacht und im Anschluss total von ihr geschwärmt. Meinem besten Freund fiel dabei auf, dass ich weniger Lob für meine eigene Stadt übrig hatte und machte mich auf einige Flecken aufmerksam, die er besonders schön findet an Lübeck. Einige Zeit später fanden dann bei uns die Hansetage statt, an denen manche Hausbesitzer in der Altstadt ihre Toren und Türen öffneten. Dabei stellte ich fest, dass es in Lübeck viele Sehenswürdigkeiten gibt, an denen ich oft vorbei gegangen bin, ohne sie mir näher anzuschauen. Ich stellte also fest, dass ich oft sehr unbewusst oder unachtsam durch meine Stadt marschierte.. Seitdem nehme ich mir vor, wenigstens 1x im Monat einen achtsamen Spaziergang durch die Lübecker Altstadt zu machen. Mal betrete ich auch die Gänge. Ich lese mir Gedenktafeln oder Inschriften durch, die ich sonst nur im vorbeigehen wahr genommen habe. Und mittlerweile muss ich sagen, dass mir meine Stadt in der ich wohne wieder mehr und mehr gefällt. Ich entdecke immer noch etwas neues und bin dann oft erfreut darüber es gesehen zu haben.
Wenn Ihnen mein Spaziergang gefallen hat und sie sich in einigen Übungen wieder finden, dürfen sie gerne auch einen Spaziergang machen und mir davon berichten. Ich würde mich sehr freuen, wenn es ihnen gelingt mit sich und ihrer Umwelt in Einklang zu kommen.